Häufig gestellte Fragen zur Taxonomie

Hier haben wir eine Sammlung an Fragen und Antworten zusammen gestellt, die sich auf unseren Seiten bezüglich Artbeschreibungen einzelner Chamäleons immer wieder mal stellen. Sollten weitere Fragen hierher passen, freuen wir uns über eine E-Mail. Um direkt zu den Fragen zu springen einfach auf die entsprechende Zeile klicken.

Was ist Taxonomie?
Was ist der Unterschied zwischen Trivialnamen und wissenschaftlichem Artnamen?
Wie setzt sich ein Artnamen zusammen?
Wer benennt eine neue Art und wonach?
Was bedeutet cf. im Artnamen, z.B. Calumma cf. radamanus?
Was bedeutet „et al.“ hinter einem Namen?
Warum werden manche Erstbeschreiber in Klammern aufgeführt, manche nicht?
Was ist eine candidate species?

 

 

Was ist Taxonomie?

Unter Taxonomie versteht man die wissenschaftliche Einteilung von Lebewesen in ein willkürliches System. Der schwedische Naturforscher Carl von Linné hat 1735 damit angefangen, Tiere in Klassen, Ordnungen, Gattungen und Arten einzuteilen. Diese Einteilung existiert – um vieles erweitert und wesentlich detaillierter – noch heute. Der Begriff „Art“ ist dabei nicht fest definiert. Heute ist man sich größtenteils einig, dass man darunter nicht nur Tiere versteht, die sich miteinander erfolgreich fortpflanzen können und äußerlich (morphologisch) ähnlich sind, sondern auch phylogenetisch sehr eng verwandt sind.

Was ist der Unterschied zwischen Trivialnamen und wissenschaftlichem Artnamen?

Trivialnamen sind die Namen für ein Chamäleon, die jedes Land in seiner Sprache vergibt, z.B. Teppichchamäleon. Wissenschaftliche Artnamen sind in ihrer Kombination aus Gattung und Artname nur einmalig vergebene, unveränderliche und eindeutig zuzuordnende Artnamen, z.B. Furcifer lateralis.

Der Nachteil von Trivialnamen ist, dass sie weder international noch einmalig sind. Das bedeutet, dass es bei der Nutzung von Trivialnamen leicht zur Verwechslung verschiedener Chamäleonarten kommt. Außerdem gibt es für viele Chamäleons gar keine Trivialnamen, sie werden dann oft einfach von äußeren Merkmalen oder Trivialnamen anderer Sprachen „abgeleitet“ und können deshalb sehr unterschiedlich ausfallen. So wird Calumma gallus im Deutschen häufig als „Pinocchio-Chamäleon“ bezeichnet, im Englischen wird es jedoch „lance-nosed chameleon“ oder „blade chameleon“ (übersetzt Lanzettnasen-Chamäleon oder Klingenchamäleon) genannt. Verwendet man stattdessen den wissenschaftlichen Artnamen Calumma gallus, ist jedem sofort klar, um welche Art es sich handelt.

Wie setzt sich ein Artnamen zusammen?

Ein Artname besteht aus zwei Teilen: Dem Gattungsnamen, das ist das erste Wort, und dem Artnamen selbst, das ist das zweite Wort. Beispielsweise bei Calumma radamanus ist Calumma die Gattung und radamanus der Artname selbst. Der Artnamen muss sich von allen bereits weltweit vergebenen Artnamen unterscheiden. Es darf kein Insekt geben, das wie ein Reptil heißt und genauso wenig ein Säugetier, das wie ein Fisch heißt. Jeder Artname darf nur ein einziges Mal vergeben sein.

Wer benennt eine neue Art und wonach?

Wer eine neue Art entdeckt, muss sie auch schriftlich in einem wissenschaftlichen Artikel in einem peer-reviewten Journal beschreiben. Peer-Review bedeutet, dass der Artikel nicht einfach nur eingereicht und prompt veröffentlicht wird wie bei einer Zeitung, sondern nach der Einreichung einen wochen- bis monatelangen Prüfungsprozess besteht. Dabei lesen verschiedene andere Wissenschaftler, die sich mit dem gleichen Fachgebiet befassen, den Artikel durch und machen Anmerkungen, Korrekturen oder stellen Fragen zur Methodik und dem Aufbau der Veröffentlichung. In diesem Beschreibungsartikel wird ein Artname vergeben.

Der Gattungsname, sozusagen der „vordere Teil des Artnamens“, steht dabei meist schon fest: Wer eine neue Furcifer-Art entdeckt, kann sie nicht Neueart neueart nennen, sondern muss sie Furcifer neueart nennen. Nur wer eine ganz neue Gattung entdeckt – das ist heutzutage ziemlich selten – darf auch den Gattungsname bestimmen.

Calumma roaloko male 2019 (2)

Calumma roaloko wurde benannt nach seinem zweifarbigem Äußerem, auf madagassisch roa loko (= zwei Farben)

Den zweiten Teil, den eigentlichen Namen einer Art, darf der Beschreiber immer selbst aussuchen. Häufig werden Eigenschaften der Art als Artname verwendet, beispielsweise bei Calumma roaloko oder Furcifer verrucosus. Andere Wissenschaftler widmen die Art Kollegen, Familienmitgliedern oder Freunden, wie bei Calumma juliae oder Furcifer voeltzkowi. Wenn nach Personen benannt wird, muss die Endung des Artnamens angepasst werden: -ae für weibliche, -i für männliche und –orum für mehrere Personen. Ebenfalls gängig ist die Bennenung nach der Herkunft der Art wie bei Furcifer antimena. Fantasienamen und die Benennung nach beliebigen Vorbildern sind genauso erlaubt. So wurden schon eine Wespe nach der Sängerin Shakira, ein Dinosaurier nach Disneys Bambi, ein Wurm nach Yoda aus Star Wars und ein Rochen nach einer Staubsaugerfirma benannt. Gleich eine ganze Reihe von verschiedensten Tieren trägt inzwischen Namen aus der Buch- und Filmreihe „Der Herr der Ringe“ von Tolkien. Nur eines wird nicht gerne gesehen: Man benennt Arten grundsätzlich nicht nach sich selbst.

Seit ein paar Jahren gibt es über das Projekt BIOPAT die Möglichkeit, dass auch Laien eine Art benennen dürfen. Sie spenden dabei einen Betrag von mindestens 2600 € im Rahmen einer Patenschaft an das Projekt. Die Finanzen kommen der Forschung und dem Heimatland der Art zu Gute, während der Patenschaftsträger den Artnamen für eine Neubeschreibung seiner Wahl aussuchen darf.

Was bedeutet cf. im Artnamen, z.B. Calumma cf. radamanus?

Das ist die Abkürzung für lateinisch confer, das bedeutet „vergleiche“. Man bezeichnet damit Chamäleons, die der genannten Art sehr ähnlich aussehen, die aber wahrscheinlich einer eigenen, bisher unbeschriebenen Art angehören. Man weiß oder erahnt also schon, dass die Art unbeschrieben ist, es existiert jedoch noch keine wissenschaftliche Veröffentlichung dazu.

Eine unbeschriebene Art aus dem Montagne d’Ambre, die als Calumma cf. radamanus geführt wird

Es gibt beispielsweise eine ganze Reihe kleiner Chamäleons mit leicht nach unten deutenden Nasenfortsätzen und ohne Occipitallappen, die aktuell allesamt Calumma cf. radamanus genannt werden. Man weiß von der revidierten Beschreibung der Art Calumma radamanus, dass sie nur rund um die Bucht von Antongil im Nordosten Madagaskars vorkommt. Es gibt jedoch an vielen Orten Madagaskars ähnlich aussehende Chamäleons, die sich in einigen kleinen Details unterscheiden. Um diese korrekt zu benennen, bedient man sich des „cf.“ im Artnamen. Man möchte damit sagen, dass die Art nach jetzigem Stand der Wissenschaft zwar zu Calumma radamanus gehören würde, man aber wegen des Aussehens und des Fundortes bereits davon ausgeht, dass es sich zwar um eine sehr nah verwandte, aber bisher unbeschriebene Art handelt.

Was bedeutet „et al.“ hinter einem Namen?

Der zuerst genannte Autor einer Publikation ist derjenige, der die Veröffentlichung geschrieben und sich vereinfacht gesagt die meiste Arbeit damit gemacht hat. Alle anderen danach genannten sind sogenannte Co-Autoren. Sie haben ebenfalls einen Anteil beigetragen, zum Beispiel bei Laborarbeiten, im Feld als Teilnehmer einer Expedition oder bei der Auswertung von Statistiken. Heutzutage werden Publikationen mit zunehmend mehr Co-Autoren verfasst. Möchte man nun diese Artikel zitieren, würde die Quellenangabe mitten im Text mit bis zu 30 Autoren unglaublich viel Platz verschwenden und uneinheitlich aussehen. Deshalb kürzt man die Autoren oft bis auf Erst-, Zweit- und Drittautor ein. Um aber darauf hinzuweisen, dass nicht nur der erste oder zweite Autor an der Publikation beteiligt waren, benutzt man die Abkürzung „et al.“. Das ist gekürzt für lateinisch et alii = und andere. Die gesamte Quelle mit allen Autoren wird dann im Literaturverzeichnis vollständig genannt.

Warum werden manche Erstbeschreiber in Klammern aufgeführt, manche nicht?

Viele Erstbeschreibungen sind vor über hundert Jahren aufgeschrieben worden. Damals gab es viele heute etablierte wissenschaftliche Methoden, zum Beispiel genetische Artvergleiche oder Mikro-Computertomographien von Skeletten, einfach noch nicht. Dadurch sind viele alte Beschreibungen sehr einfach und halten sich ausschließlich an äußerliche Merkmale von Chamäleons. Im Laufe der Zeit wurde von anderen Wissenschaftlern „nachgearbeitet“ und die Taxonomie wurde auf den jeweils aktuellen Stand angepasst: Arten wurden in andere Gattungen gestellt, aufgeteilt, revidiert oder als Synonym einer anderen Art anerkannt.

Furcifer oustaleti Weibchen in Ankify

Um zu kennzeichnen, ob jemand eine Art nach neuesten wissenschaftlichen Grundsätzen beschrieben hat oder ob die Beschreibung schon länger her ist und ursprünglich einer anderen Gattung zugeteilt war, bedient man sich einer bestimmten Schreibweise:

Artname Beschreibername, Jahr

Diese Schreibweise bedeutet, dass die Art heute taxonomisch genauso geführt wird, wie sie von ihrem Erstbeschreiber taxonomisch eingeordnet wurde. Dies trifft auf viele in den letzten Jahren erst beschriebene Chamäleons, wie z.B. Calumma juliae oder Furcifer timoni, zu.

Artname (Beschreibername, Jahr)

Steht der Erstbeschreiber in Klammern, so bedeutet dies, dass die Art im Laufe der Zeit in eine andere Gattung einsortiert wurde. So wurde beispielsweise Furcifer oustaleti 1894 von François Mocquard zuerst beschrieben, allerdings damals unter dem Artnamen Chamaeleon oustaleti. Die Beschreibung von damals besteht aus nur fünf Sätzen, entsprechend ungenau war sie – für die Zeit war das jedoch ganz normal. Man hatte damals unter anderem keine Ahnung davon, dass es viele verschiedene Gattungen von Chamäleons gibt und nicht nur eine. Es dauerte 92 Jahre, bis Charles Klaver und Wolfgang Boehme die Art 1986 an Hand des Aussehens der Hemipenes in die Gattung Furcifer umstellten. Seitdem wird der ursprüngliche Beschreiber Mocquard in Klammern gesetzt.

Was ist eine candidate species?

In manchen Publikationen taucht der Begriff candidate species auf, zu deutsch „Kandidatenart“. Damit meint man in der Regel, dass bestimmte Chamäleons bereits Forschern bekannt sind und man vermutet, dass sie eine eigene Art darstellen. Der Nachweis dafür ist aber noch nicht erbracht oder noch nicht in einer wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht. Durch die Verwendung des Begriffs candidate species kann man bereits darauf hinweisen, dass man ein neues Chamäleon gefunden oder genetisch nachgewiesen hat, auch wenn man noch nicht alle Daten für die Neubeschreibung selbst beisammen hat. Das ist zum Beispiel praktisch auf Madagaskar dann wichtig, wenn es um die Ausweisung von Schutzgebieten geht. Je höher die Artenzahl in einem Wald, desto höher auch die Chance, dass der Wald als besonders schützenswert gilt. Vorsicht: In den USA wird der Begriff außerhalb der Taxonomie verwendet. Dort beschreibt candidate species eine Tier- oder Pflanzenart, von der geplant ist, sie unter besonderen Schutz zu stellen.

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