Im Zoohandel wird eine Vielzahl bunter Kartons mit Zimmerbrunnen, kleinen Wasserfällen oder Terrarien-Springbrunnen angeboten. Viele Chamäleonhalter versprechen sich von Wasserfällen und Brunnen eine schöne Terrariendekoration, die dazu noch zum Trinken anregt. Dieser Artikel soll alle notwendigen Überlegungen zum Thema beleuchten und dazu anregen, sich intensiv mit dem Lebensraum von Chamäleons auf Madagaskar zu befassen.
Wasserfälle und fließende Gewässer auf Madagaskar
Auf Madagaskar gibt es keine Chamäleon-Art, die an das Leben über oder in unmittelbarer Nähe eines fließenden Gewässers angepasst wäre. Im Gegensatz zu Amphibien, die das Wasser zwingend für ihr Überleben und ihre Fortpflanzung benötigen, sind Chamäleons nicht auf stetigen Wasserkontakt angewiesen. Selbst einige Arten, die in besonders feuchten Regenwäldern Madagaskars leben, findet man nur selten oder nur kurz in der Nähe von Wasserfällen.
Möchte man also den natürlichen Lebensraum eines Chamäleons nachbilden, so ist ein Wasserfall dafür schlicht nicht notwendig. Exakte Informationen zu den verschiedenen madagassischen Arten sowie Fotos und 360°-Aufnahmen aus den Lebensräumen der Tiere finden sich im Bereich „Chamäleons & Habitatsdaten“.
Anatomische Gegebenheiten bei Chamäleons
Chamäleons sind auch anatomisch nicht an ein Leben direkt über oder in der unmittelbaren Nähe von Wasserfällen oder fließendem Wasser angepasst. Ihre Lungen sind große, hohle Räume mit weiteren sackartigen Ausbuchtungen (Luftsäcke) und bestehen nicht wie bei Säugern aus einem dichten Gewebe von Bronchien und Alveolen. Durch die sackartige Form, die filigranen, extrem dünnen Membranen und wenig Elastizität ist die Chamäleonlunge leider sehr anfällig gegenüber bakteriellen Infektionen, was gerade im Terrarium besonderer Beachtung bedarf. Temperaturen und Luftfeuchtigkeit müssen durch adäquate Beleuchtung und Belüftung optimal dem Bedarf des Chamäleons entsprechen. Die Tiere können außerdem (da kein Zwerchfell vorhanden ist) nicht husten, was ihnen die Möglichkeit verwehrt, in den Luftsäcken befindliche Flüssigkeit oder Schleim über die Luftröhre nach oben zu transportieren. Lungenerkrankungen bedürfen langwieriger Behandlung und enden nicht selten tödlich bei Chamäleons.
Besiedlung durch Bakterien, Reinigung und Desinfektion
Grundsätzlich versucht man in Terrarien, bestenfalls ein kleines, funktionierendes Ökosystem mit natürlichem Bodengrund, echten Pflanzen und simulierter Beregnung zu etablieren. Hier werden potenziell krankmachende Bakterien von ihrer Konkurrenzflora in Schach gehalten. Bei einem künstlichen Wasserkreislauf gibt es weder eine Konkurrenzflora noch natürliche Filter- und Reinigungsmechanismen. Dazu sind Wasserfälle im Terrarium im Gegensatz zu natürlichen Wasserläufen geschlossene Kreisläufe. Verschmutztes Wasser fließt nicht ab, sondern wird weiter verwendet und nur selten ausreichend gefiltert. Die Wasserqualität verschlechtert sich stetig, die feucht-warmen Bedingungen beschleunigen das Bakterien- und Algenwachstum.
Ähnlich Neblern können auch Wasserfälle und Brunnen nicht steril betrieben werden. Bei Wasserläufen kommt erschwerend dazu, dass Futterreste, Laub und Kot des Chamäleons ins Wasser gelangen können. Dies bietet zu den guten Wachstumsbedingungen für Bakterien innerhalb des warmen und feuchten Terrariums auch einen optimalen Nährboden. Selbst mit über Wasserläufen angebrachten Schutzgittern ist es nicht möglich, das Wasser dauerhaft „sauber“ zu halten. Dies erhöht den Bakterien- und oft genug auch den Parasitendruck im Terrarium stark.
Ebenfalls analog zu vielen im Handel angebotenen Neblern können auch viele der Wasserfälle und Brunnen aus dem Zoohandel nicht in alle Bestandteile zerlegt werden. Etliche Teile sind dadurch schlecht oder überhaupt nicht gründlich zu reinigen (allen voran Schläuche), so dass immer mikroskopisch kleine Reste überbleiben, die natürlich auch Bakterien enthalten. Einige Bakterien können dazu noch Schleimfilme bilden, die sie vor der Entfernung beim Durchspülen schützen.
In der Realität werden Brunnen und Wasserfälle in Terrarien nur sehr selten überhaupt gereinigt. Teils laufen Geräte über Wochen ohne Wasserwechsel oder Säuberung wenigstens der Auffangbecken.
Wasserversorgung
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass fließendes Wasser im Terrarium das Trinkverhalten bei Chamäleons besonders anregen würde und daher sehr praktisch für die Wasserversorgung von Chamäleons im Terrarium sei. Tatsächlich schießen Chamäleons nur auf bewegte Objekte. Wasser wird in der Regel von Chamäleons jedoch durch Lecken aufgenommen – dazu müssen sich lediglich Tropfen auf Blättern oder Ästen befinden, es muss jedoch kein ganzer Wasserfall vorhanden sein.
Auf Madagaskar haben wir Chamäleons noch nie an stehenden oder fließenden Gewässern aktiv trinken sehen. Stattdessen trinken sie vor allem während und nach starkem Regen, in dem sie die Regentropfen von Ästen und Blättern lecken – oder sie direkt während des Regens in den Mund rinnen lassen. Eine Beregnungsanlage oder eine Tropftränke sind dem natürlichen Trinkverhalten also näher als ein Wasserfall.
Luftfeuchtigkeit
Installiert man eine Wasserfläche, egal ob still oder fließend, innerhalb eines Terrariums, so erhöht sich damit automatisch auch die Luftfeuchtigkeit. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Luftfeuchtigkeit in den meisten von Chamäleons bewohnten Lebensräumen nicht durchgehend gleichbleibend und auch nicht immer sehr hoch ist. Es kommt ganz darauf an, wo genau auf Madagaskar das Chamäleon lebt: Ein Furcifer labordi aus dem Trockenwald von Kirindy benötigt generell keine hohe Luftfeuchtigkeit. Ein Furcifer pardalis aus Ambilobe lebt vor allem während der Regenzeit in erhöhter Luftfeuchtigkeit, nicht aber den Rest des Jahres während der Trockenzeit. Die Luftfeuchtigkeit schwankt dazu meist stark im Tagesverlauf.
Unsere persönliche Meinung
Wir empfehlen Brunnen und Wasserfälle ausdrücklich nicht für die Anwendung in der Chamäleonhaltung. Sie stellen für die Tiere ein hohes Risiko bei nur sehr geringem, wenn überhaupt vorhandenem Nutzen dar. Die Wasserversorgung von Chamäleons kann problemlos mit anderen, deutlich risikoärmeren Mitteln wie Beregnungsanlagen, Tropftränken oder Sprühen per Hand erreicht werden.